Heute geht es hoch auf 3650 m!
Der Muir Pass steht auf dem Tagesplan und ich bin voller Vorfreude.
Aber erstmal wache ich im Zelt auf und es ist echt kalt. Gefühlt unter NULL Grad Celsius. Nachdem ich es geschafft habe mich aus dem Schlafsack zu schälen, stehe ich auch gleich ganz auf. Zögern ist nicht drin bei diesen Temperaturen.
Ziel ist es den heißen Kaffee in den Händen zu halten!
Der Bärenkanister hatte heute das erste Mal eine leichte "Eisschicht" auf dem Deckel und das Öffnen war mit den kalten Fingern heute besonders herausfordernd.
Das Zelt meiner Mitläuferin war ebenfalls mit einer kristallinen Schicht benetzt. Da hat sie wohl intensiver geatmet als ich.
Wenn ich mir meine Bilder des heutigen Tages anschaue, dann sollte ich heute lieber eine Galerie machen, als einen Text zu schreiben. Es war wirklich ein wundervoller Tag... und auch der letzte für dieses Jahr auf dem John Muir Trail.
Mit dem Kaffee in den Händen genieße ich den frischen Morgen und lasse die Landschaft auf mich wirken. Die ersten Gipfel leuchten schon rot von der Sonne <3
Nachdem wieder alles zusammengepackt war, ging es los. Bis zum Muir Pass lagen noch ca. 6 km vor uns. Aber zuerst wurde man noch von der schroffen Landschaft und dem Wanda Lake verwöhnt.
Es ging wie so oft stetig bergauf und die Luft wurde dünner. Mittlerweile war ich das schon gewöhnt, so dass es nur anstrengend war und nicht atemlos.
Der Wanda Lake kam nach ca. 3 km und war ein Traum von See. Ich kann es garnicht beschreiben und ein leichter Frust, nicht hier übernachtet zu haben, machte sich breit... NEXT TIME!
Die Spiegelung war gestochen scharf und es war einfach zum Dahinschmelzen <3
Bleiben konnten wir natürlich nicht ... bzw. wir wollten weiter. Also ging es links am See entlang weiter Richtung Pass.
Ich habe nicht gezählt, wie oft ich zurück geschaut habe. Der See war einfach nur traumhaft. Hier unterm Sternenhimmel zu campen muss besonders sein.
Hinter dem See wurde die Landschaft schroffer und das letzte Grün wich den Felsen. Vor uns lagen noch 2,5 km bevor wir den Muir Pass und den John Muir Memorial Shelter erreichen sollten. Es wurde auch wieder schneereicher und einige Snowpatches wollten überquert werden. Es waren nicht viele und war unkompliziert.
Langsam und stetig ging es bergauf und ich hielt immer wieder an, um einen Blick zurückzuwerfen. Der Wanda Lake und auch der Mc Dermand Lake lagen wie große Pfützen zwischen den Steinen.
Nach etwas mehr als 2std erreichten wir den Muir Pass.
WOW, das war ein tolles Gefühl. Hier trafen wir auch eine andere Hikerin (Trailname: NUTELLA), die uns immer ein paar Schritte voraus war. Ich setzte den Rucksack ab und genoss das erreichte Ziel.
Das John Muir Memorial Shelter ist ein Memorial zu Ehren John Muir und wurde 1930 errichtet. Heutzutage dient es Hikern, die von einem Sturm oder Gewitter auf dem Pass überrascht werden, zum Schutz.
Wir blieben ca. 20 min. Und dann folgte der Abstieg auf der Südseite. Von hier oben konnte man eine fast geschlossene Schneedecke erahnen, welche über den Trail runter führte. Sprich, einen Trail gab es gerade nicht ...
Was es allerdings gab, war eine Spur, welche bereits von "Vorgängern" platt getreten war.
Die Spikes wurden griffbereit umgeschnallt und dann ging es los...
Es war lang und anstrengend ... aber auch herrlich. Ich ließ mir Zeit, denn ausrutschen wollte ich nicht.
Nachdem der steilste Teil geschafft war, lohnte auch ein Blick zurück.
Ich merkte das Bergab in meinen Beinen und an meinen blasengeplagten Füßen. Genuss ist anders, aber die Landschaft machte vieles wett.
Der Helen Lake, war der nächste See, den wir streiften. Hier schwammen Eisscholle auf der Oberfläche.
Es wurde flacher, aber die Schneefelder waren noch nicht geschafft. Wenn es kein Schnee war, dann floss Wasser über die Trails oder ließen die besteinten Foodbridges unter Wasser gehen. Hier merkte wieder man MEHR als deutlich, dass es ein High-Snow-Jahr war in der Sierra.
Rutschen oder den "sicheren" Weg :)
Ich liebe ja die weiße Pracht, aber die ganze Zeit mit Mini-Steps drauf zu laufen, war sehr kräftezerrend. Was einem nicht fehlte war Zeit, so dass ich weiter mein Tempo ging.
Das Wasser kam übrigens von überall den Berg runter und grub ich seinen Weg durch die Schneedecken.
Es war mittlerweile 11 Uhr und wir waren seit knapp 4 std unterwegs. Durch den "beschwerlichen" Abstieg" kamen wir natürlich nicht so schnell voran.
Das Bild mit den türkisfarbenen Eisschollen möchte ich euch nicht vorenthalten.
Der Trail wurde schneefreier und man "erkannte" ihn. Es blieb weiter steinig und recht uneben. Kein Geschenk für die Beine und Füße.
Umso mehr Höhenmeter wir hinter uns ließen umso grüner wurde es. Das Wasser kam von überall und es wirkte alles einfach nur frisch und lebendig zwischen den Felsbrocken.
Um 12:00 Uhr machten wir eine Pause. Es gab Lunch und die Wasserbehältnisse wurden aufgefüllt.
Die Schneefelder lagen alle hinter uns und es ging weiter auf gewateten Wegen. Auch die Aussicht veränderte sich...
Auch wenn es nicht so aussieht, wegen dem ganzen Schnee, aber es war warm. Die Sonne strahlten vom wolkenlosen blauen Himmel und Schatten war eine Seltenheit. Es ging auch weiter bergab und der Weg war blasentechnisch gesehen, sehr undankbar. Ich kam zu einem Punkt, wo ich nicht mehr konnte. Nicht konditionell, aber mental, wegen der Schmerzen an meinen Füßen :(
Die Schönheit der Natur holte mich immer wieder ab und zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht, aber der Schmerz ließ nicht nach.
Für mich war HIER und JETZT klar, dass ich über den Bishop Pass den JMT verlassen werde...
Bis zur Bishop Pass Trail Junction waren es noch 6,5 km... also hieß es DURCHHALTEN und weitergehen.
Es fiel mir eigentlich auch nicht schwer, da es so wunderschön war und ich immer wieder stehenblieb und die Landschaft aufsog.
Irgendwann wurde es bewaldeter und die Bäume spendeten Schatten. Das war wirklich sehr angenehm.
Einen Dinosaurier trafen wir auch auf dem Weg :)
Steine, Bäume, Wiesen, Flüsse und Seen... es wechselte sich ab. Es mag für den Leser, der noch nie eine Fernwanderung mit Rucksack gemacht hat "langweilig" klingen, aber JEDER der diese Erfahrung bereits gemacht hat, weiß, dass es anders ist. Natürlich wiederholt sich die Natur und trotzdem ist es nach jeder Kurve/ Abzweigung anders. Vielleicht sind es die EMOTIONEN, die einem immer wieder vorgaukeln, dass man DAS zu ersten Mal sieht.
Natürlich sieht man MEHR, wenn man mit dem Auto von einem Park zum Nächsten fährt... aber fühlt man MEHR?
Ich habe jetzt beides gemacht und kann es kaum erwarten, wieder den Rucksack aufzusetzen und in die Wildnis einzutauchen.... jenseits von ZIVILISATION ... es ist ein Lebensgefühl, was einen treibt. Weg von der schnelle lauten Welt, hinein in die Ruhe und Einfachheit der Natur...
Es wurde immer grüner und der Trail führte durch ein Lawinengebiet. Die Bäume standen schief und es lagen viele Stämme und teilweise große Steine rum.
Um 15:00 Uhr erreichten wir die Bishop Pass Junction. Seit dem Start heute morgen waren 8 std vergangen und auch wenn es "nur" bergab gingen, waren wir echt ko.
Die erste Überlegung direkt an der Junction zu campen (so die Idee heute morgen), verwarfen wir schnell.
Erstens gab es keine Wasserquelle und zweitens, und das war viel schlimmer, wimmelte es von Moskitos, die die Campsite schon eingenommen hatte.
Auf dem Schild waren Hinweise für uns Thru-Hiker.
Für die Nortbounder kam die Brückeninfo am San Joan South Fork und für uns Southbounder gab es den Hinweis, dass die Straßen zu den nachkommenden Pässen zZt gesperrt waren.
Das bedeutete, dass man zwar weiter wandern konnte, aber bei den kommenden Pässen wie Kearsarge Pass oder Baxter Pass nicht vom Trailhead in die Ortschaft kommt. Das Datum war zwar schon 8 Tage alt, aber man weiß es ja nie... Hier oben gab es keine NEWS und so ein Hinweiszettel war die einzige Quelle, ausgenommen andere Wanderer. Die waren gerade nicht anwesend.
Für Yui hieß es, dass sie mit mir zusammen den Trail verlassen wollte. Sie hatte noch mit dem Gedanken gespielt bis zum Kearsarge Pass zu laufen, aber mit der Ungewissheit, wollte sie es nicht riskieren. Sie musste nach dem kommenden Wochenende auch wieder zur Arbeit.
Da wir an der Junction nicht bleiben wollte, musste wir trotz müder Beine nochmal einen Anstieg angehen. Auf meiner einen Karte (ja, in PAPIERFORMAT) konnten man nach ca. 2,5 km einen möglichen CampSpot sehen, wo auch eine Wasserquelle war.
Yui ließ mich vor, den bergauf war ich meistens schneller...
Es wurde echt hart und die Switchbacks waren gnadenlos, aber die Aussicht entschädigte ALLES <3
Auf der einen Seite wurden man mit dem dem Langille Peak(vermutlich) belohnt und auf der anderen Ecke mit einer Wasserrutsche und Blick auf den Giraud Peak.
Nach 2,5 km kam tatsächlich auch erst die erste Möglichkeit sein Zelt in der waagerechten aufzuschlagen. Vorher waren entweder Bäume im Weg oder Abhänge. Die paar kargen Stellen zwischen den Bäumen luden nicht wirklich zum VERWEILEN ein.
Der letzte CampSpot auf der Wanderung war also gefunden und lag bei einem Felsvorsprung. Die Zelte baute man weiter geschützt zwischen umgestürzten Bäumen auf. Also es bestand keine Gefahr, dass man abstürzte.
ENDLICH entledigte ich mich meiner Schuhe und ließ meine Füße samt Blasen atmen... Die Wasserschuhe, die ich mit hatte, waren groß genug und meine Füße hatten Platz. Leider waren die nicht geeignet, um mit denen zu wandern, sonst wäre ich schon umgestiegen.
Ein letztes Mal wurde also das Zelt aufgeschlagen, Wasser gefiltert und im Kocher gekocht.
Zusammen mit meiner Mahlzeit setzte ich mich auf einen Stein am Felsvorsprung und ass mit Aussicht.
Die Sonne war weg und es wurde frisch... auch wehte der Wind ganz gut. Wir waren allerdings gut geschützt.
Nach einem langen Tag mit 7 std reiner Laufzeit und knapp 23km wurde der Tag um 19:00 für beendet erklärt.
Ich krabbelte ins Zelt und versorgte meine Blasen noch mal mit frischen Patches. Für morgen wird es definitiv noch reichen.
HEUTE schloss ich mein Aussenzelt nicht... die Aussicht war wirklich schön. Außerdem war heute Nacht BLUEMOON und ich hoffte auf einen große Mond am Horizont.
30.08.2023