Gegen 3:00 Uhr morgens bin ich aufgewacht ... es raschelte um mein Zelt herum. BOAH... das war echt dicht. Ich atmete kaum und lauschte. Hoffentlich nichts GROßES!
Es wurde nach einiger Zeit weniger und dann verschwand das Geräusch. Offensichtlich war ich uninteressant. Jetzt hatte ich allerdings ein anderes "PROBLEM" und trotz Bemühungen konnte ich nicht länger anhalten. Ich musste für kleine PRINZESSINNEN...
Ja, das mag für den ein oder anderen ein Grund sein, warum das ZELTEN in der Wildnis nicht auf der ToDo Liste steht.
Ich hatte mich die letzten Tage schon daran gewöhnt im Dunkeln aus dem Zelt zu krabbeln. Nicht das erste Mal während der Wanderung drückte Nachts die Blase.
Angst im Dunkeln habe ich nicht, obwohl ich gestehen muss, dass das DUNKEL hier auf dem JMT anders ist. Es ist ja nicht einfach nur Dunkeln... es ist auch totenstill und mitten in der Wildnis. UND das wichtigste ... ich bin hier GAST.
Nützt nichts... ich muss mal!
Bewaffnet mit meiner Kopflampe öffnete ich mein Zelt. Vor dem Zelt war nichts, also Füße raus und rein in die Schuhe... Dann folgte der Rund-Um-Blick...
BAAAAAMMMM... in Gedanken habe ich bestimmt geschrien...
Als meine Lampe nach rechts schwenkte, starrten mich zwei leuchtende Augen aus ca. 10 m Entfernung an! WOW ... ich habe mich richtig erschrocken!!!
Zum Glück war es nur ein Reh, was ich nach 5 sek Schockstarre feststellte. Das hat sich auch erschrocken und suchte schnell das Weite.
Nachdem der Schreck verflogen war, musste ich allerdings immer noch ... oder besser gesagt, zum GLÜCK *hahahaha*
Ich schlief noch kurz wieder ein, aber gegen 6:00 Uhr war die Nacht beendet und bei Dämmerung krabbelte ich erneut aus dem Zelt. Meine Mit-Zelter waren auch schon wach.
Um 7:45 Uhr ging es wieder auf den Trail. Meine Blasen waren erneut eingetapt und das hielt meistens den halben Tag, bis die Schmerzen wieder durchkamen.
Heute stand die Durchquerung des Evolution Creek an, die nicht mal ansatzweise so schlimm sein wird, wie DAS von gestern. Das Evolution Valley zählt auch mit zu den schönsten Abschnitten auf den JMT.
JA, ich kann die Schönheit nur bestätigen. Nachdem wir die Zusammenkunft des South Fork San Joaquin River und des Evolution Creek ganz unspektakulär über eine Brücke überqueren konnten, begleitete uns der Evolution Creek den ganzen Tag.
Er zeigte uns seine stürmische und seine ruhige Seite <3
Vorallem als der Trail ins Wasser führte, war die Strömung gnädig.
Da es noch früh am Tag war und wir keine Lust hatten jetzt schon mit nassen Füßen weiterzugehen, wechselten wir unsere Schuhe. Unzählige Moskitos leisteten uns dabei Gesellschaft.
Das Wasser war knietief und ARSCH- ... äh EISKALT. Das Durchwaten war kein Problem und zu keiner Zeit hatte ich das Gefühl, den Halt zu verlieren... nur die Füße waren kurz vorm Kältetot.
Auf der anderen Seite wurden die Schuhe gleich wieder getauscht. Das mag jetzt nervig klingen, dass man für 15 m Schuhe tauschen "muss". Im Grunde kann es jeder für sich entscheiden, ...aber ich erinnere gerne daran, dass man HIER einfach die ZEIT hatte... sie übte keinen Druck aus und war somit eigentlich nicht vorhanden.
Hinter der Querung kamen noch weitere kleine Flussausläufe, die wegen dem Rekordschneejahr vermutlich höher waren als die Jahre zuvor. Hier lagen aber genug Steine die man als Footbridge nutzen konnte.
Es ging noch ein Stück durch bewaldetes Gebiet und auf der rechten Seite begleitete uns eine Felswand auf den Weg.
Es folgte das McClure Meadow.
Yui erzählte mir, dass sie vor vier Jahren an dem CampSpot und DEM Aussichtspunkt schlechthin vorbeigelaufen ist. Das sollte dieses Jahr nicht passieren und als ich unwissender Weise schon dran vorbeigelaufen war, rief sie mich zurück.
MEIN GLÜCK, dass sie dabei war <3
Mir fehlten die Worte bei diesem Anblick und getoppt wurde es noch von zwei "Einwohnern".
Ich hätte am liebsten SOFORT mein Zelt aufgeschlagen und wäre hier geblieben... aber erstens war es dafür einfach zu früh am Tag, zweitens hatten wir DOCH einen kleinen Zeitplan im Nacken und drittens... es wimmelte nur so vor MOSKITOS! Sobald man stehenblieb war man Opfer. So schlimm habe ich es auch nirgends anders erlebt auf dem Trail.
Zu schade... das Panorama war wirklich eine Augenweide <3
Nachdem mich doch zwei drei Biester gestochen hatten, suchten wir das WEITE.
Ein paar Meter weiter machte wir allerdings nach 3 std doch eine Pause. Der Magen knurrte... und hier im Schatten waren nicht ganz so viele Moskitos unterwegs.
Weiter ging es gegen 11:30 Uhr und das Gelände wechselte zwischen bewaldeten Stücken und offenen grünen Wiesen.
Irgendwann stieg der Trail wieder merklich an und ein Schild bemerkte, dass ab hier kein offenes Feuer mehr erlaubt war. Das war in der Regel immer ab 10.000 Feet (3300 m).
Es ging im leichten Switchback Mode hoch zum Evolution Lake. Der Weg war stellenweise sehr steinig und uneben, aber immer geradeaus. Gegen 13:45 Uhr sah man die erste Spitze vom See. Ich hatte in meiner App einen Hinweis, dass man gleich "oben", wenn man auf den See trifft, einen sehr guten CampSpot hatte. Das kann ich nur bestätigen. Der Anblick war jetzt schon GROßARTIG.
Fürs Nachtlager war es aber immer noch zu früh, da waren wir uns einig. Es ging als weiter Richtung See und dort ließen wir uns direkt am Ufer nieder. Ich zog meine Schuhe und Socken aus und ließ meine blasenbehafteten Füße ins Wasser baumeln... das tat soooo gut.
Auch wenn ich meine Füße am liebsten NICHT mehr in die Schuhe stopfen wollte, beschlossen wir noch ein Stück weiter zu gehen. Morgen stand der berüchtigte Muir Pass an. Er soll der schneereichste und somit einer der schwersten Pässe auf dem Trail sein, egal ob Highrekordjahr oder nicht.
Es war zwar "erst" 14:45 Uhr als wir dem Evolution Lake den Rücken kehrten, aber bis zum Wanda Lake sollten wir es nicht schaffen.
Hinter dem See kamen schon die ersten Vorboten auf den kommenden Schnee morgen. Es waren nur zwei "kleine" Snowpatches, die überquert werden wollten, aber mit dem ganzen Kilometer in den Beinen und den Blasen an den Füßen, war die Konzentration besonders herausfordernd.
Der erste PATCH war geschafft und der Zweite folgte sogleich... dann war es soweit.
Einen kleinen Moment zu leichtfüßig und unkonzentriert... SCHWUPPS saß ich auf dem Hosenboden. Nach dem kurzen Schreck, kam das Lachen und dann die KÄLTE am Hintern... SCHNELL wieder aufstehen!
Ich konnte mich allerdings wieder warm laufen, der Trail entlang des Evolution Lake zog sich. Es war aber wunderschön und ich genoss trotz Schmerzen an den Füßen die Aussicht.
Eigentlich könnte ich besser eine Foto-Love Story des JMT basteln. Ich kann mich fast nicht entscheiden, bei den ganzen Bildern von der Landschaft. Sie mögen vermutlich alle ähnlich aussehen, aber jeder BLICK war es wert zu GUCKEN.
Nachdem wir den Evolution Lake an einer Engstelle noch über Steine überqueren mussten, folgte langsam das Ende des Sees. Es folgte ein weiterer leichter Anstieg, denn wir wollten noch auf 3300 m kommen heute.
Um 16:00 Uhr erreichten wir den Sapphire Lake. Hier blieben wir und suchten einen geeigneten Spot. Das dauerte tatsächlich ein paar Minuten, weil wir gerne in der Nähe des Sees bleiben wollte. Richtung Felsen war alles recht schräg und wirklichen Sichtschutz gab es auch nicht. Tatsächlich war es auch recht windig und kälter wurde es auch.
Wir wurden schließlich fündig und rückten heute enger zusammen. Hier hatte, wahrscheinlich schon vor ein paar Jahren, ein paar Steine gestapelt, um sich vor dem Wind zu schützen. Da der Boden recht hart und felsig war, hatten wir beide stellenweise Probleme die Heringe in den Boden zu kloppen. Es klappte zum Glück bei uns beiden und so standen die Zelte kuschelig nebeneinander.
Sobald die SONNE hinter dem Berg verschwunden war, wurde es noch kühler und auch unsere Solarpanels wollten nicht so richtig laden. Ständig schoben wir sie wieder in die Sonne, aber die war schneller hinterm Berg verschwunden, als wir gucken konnten.
Wasser filtern, Diner zubereiten und Essen war schon in unseren Genen einprogrammiert, als hätten wir nie was anderes gemacht.
Und obwohl es so frisch war, hatte sich auch hier Moskitos hin verirrt... Wahnsinn, wie anpassungsfähig die kleinen Blutsauger sind.
Man merkte hier "oben" am Sapphire Lake schon recht deutlich, dass man kurz vor einem alpinen Pass war. Die Landschaft war karger und felsiger. Ich mag das gerne... und wenn es nicht so kalt wäre, würde ich hier gerne auch mal im Winter sein.
Um 18:30 Uhr verkroch sich jeder in sein Zelt. Ich verarztete meine Füße wieder neu und machte mir Notizen in meinem Handy.
Wir waren ca. 6km vor dem Muir Pass... Morgen stand ein langer, wundervoller und anstrengender Tag an.
29.08.2023